Standortsuche für ein Atommülllager: Die Gelbe Karte für die Lüneburger Teilgebiete verschwindet erst mal wieder in der Schublade

Das diesjährige Forum Endlagersuche ist vorbei. Sind wir nun schlauer? Teils, teils.

Für die Region Lüneburg ein echter Knaller: in einem der Fachvorträge im Vorprogramm wurde die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zu den Auswirkungen zukünftiger Kaltzeiten präsentiert.

Der gefährliche Atommüll muss über 1.000.000 Jahre sicher verschlossen werden. In dieser Zeit werden aufgrund regelhafter Veränderungen der Erdumlaufbahn die globalen Temperaturen neun Mal soweit absinken, dass große Teile Norddeutschlands unter Gletschern verschwinden (Einschub: Das hat nichts mit dem menschgemachten Klimawandel zu tun und wird diesen auch nicht ausgleichen).

Auch für Lai*innen wird schnell klar: Wenn sich Schmelzwasserrinnen aus diesen Gletschern in ein Atommülllager einschneiden, hat man ein Problem.

Die neuen Forschungserkenntnisse der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zeigen nun, dass sich in Norddeutschland Zonen bestimmen lassen, die Aussage darüber machen, wie tief diese Rinnen maximal werden können: Und die Region Lüneburg liegt in der Zone mit den tiefsten Rinnen. Die können in bis zu 600 Metern Tiefe gehen.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat angekündigt, dass man jeweils auf diese Rinnentiefen 300 Meter Sicherheitsabstand aufschlagen wird. Das heißt, in allen Teilgebieten in unserer Region dürfte der Atommüll  erst unterhalb von 900 Metern eingelagert werden.

Zur Erinnerung der Landkreis Lüneburg ist aktuell noch mit 5 von bundesweit 90 Teilgebieten im Rennen – vier Mal Salz, einmal Ton (weitere Infos zu den „Lüneburger“ Teilgebieten hier)

Spontane Reaktion: Das ist doch für die Teilgebiete in unserer Region mindestens ein Gelbe Karte, denn wenn an den „besten“ Standort sucht, kann der wohl kaum einer sein, an dem die stärksten Auswirkungen zukünftiger Kaltzeiten erwartet werden.

Für die Tonvorkommen in der Region gilt das noch viel mehr, denn bei Ton als Wirtsgestein würde die BGE aufgrund des Arbeitsschutzes nur bis maximal 1000 Meter Tiefe einlagern. Damit bleiben bei uns nur die Bereiche zwischen 900 und 1000 Metern: Bis jetzt ist noch nicht mal klar, ob es in den 100 Metern überhaupt Tonvorkommen gibt.

In einem weiteren Fachvortrag im Vorprogramm haben wir gelernt, wie komplex die Bewertung von Tonvorkommen ist. Einfache Aussagen darüber, wo „die Besten“ zu finden sind, lassen sich nicht treffen. Augenscheinlich besteht aber Einigkeit darüber, was Tonvorkommen ungeeignet für ein Endlager  macht (z.B. geringe Verfestigung, Heterogenität, hoher Anteil organischer Anteile) und für einzelne  Bereiche der Ton-Teilgebiete scheint auch schon klar, dass hier nur solche ungeeignete Tonvorkommen zu finden sind.

Außerdem haben die verschiedenen Landesämter für Geologie in ihren Stellungnahmen zum Zwischenbericht der BGE schon 2020 angemerkt, dass ihre Bohrdaten belegen, dass in den ausgewiesenen Gebieten großflächig gar kein Ton vorkommt.

Die Erwartungshaltung wäre ja nun, dass uns an diesem Wochenende eine Teilgebiete-Karte 2.0 präsentiert wurde, mit weniger und deutlich kleineren Teilgebieten, denn auch Oma Erna würde schnell erkennen, wo kein Ton ist, kann man auch keinen Atommüll in Ton einlagern.

Und zu den Salzstöcken hätten wir eine klare Positionierung erhofft: sind die in der Zone mit den tiefsten Rinnen jetzt raus aus dem Verfahren oder haben sie nur eine Gelbe Karte oder ist das zum jetzigen Zeitpunkt der Suche egal.

Aber es bleibt, wie bei den Salzstöcken unter der Nordsee: Nichts wird vorzeitig preisgegeben.

Wieder wurde uns nur das Eingrenzungsverfahren erläutert – nicht dessen Konsequenzen.

Die Teilgebiete-Karte 2.0, die von allen Seiten jetzt schon seit drei Jahren eingefordert wird, werden wir frühestens im November 2024 sehen – wie weit der Rausschmiss ungeeigneter Gebiete dann gehen wird, bleibt unklar. 

Die Unzufriedenheit darüber zog sich durch viele Veranstaltungen des Fachforums. Mal wurde das umständliche Verfahren kritisiert oder mal Mut beim Ausgrenzen ungeeigneter Gebiete gefordert.

Unser Eindruck bleibt, dass die einzelne Entscheidungen längst getroffen sind. Es gibt die Karte 2.0 schon lange zumindest in den Köpfen der BGE, wenn nicht sogar als Papierskizze. Sie wird aber von der Öffentlichkeit geheim gehalten, aus Sorge etwas bekannt zu geben, was noch nicht bis ins letzte rechtssicher begründet ist.

Das mag in vielen strittigen Fällen richtig sein – vielleicht auch bei den Schmelzwasserrinnen.

Bei der Bekanntgabe von Gebieten, die trotz fehlendem Wirtsgestein noch im Verfahren sind, leuchtet das aber nicht ein.

Hier würde man sich mehr Mut der BGE wüschen, Zwischenstände als eben Zwischenstände bekannt zu geben, mit der Gefahr, dass man sich in Einzelfällen revidieren muss. Nicht das Vermeiden von Fehlern schafft Vertrauen, sondern der ehrliche Umgang damit.  

Nun wird für November 2024 endlich eine aktualisierte Karte angekündigt. Nachdem was die BGE verspricht, könnte dann nach vier Jahren  erstmals wirklich greifbare neue Erkenntnisse präsentiert werden.

Das bisherige Hin-und-her in der Frage, wie konkret diese Zwischenstände sein werden, lässt aber Zweifel offen. Aber vielleicht erleben wir mit der Karte auch ein zweites Mal,  wie im September 2020, eine Überraschung mit einem völlig neuen Blick auf unsere Region.

Bis dahin herrscht Schweigen über den 5 Lüneburger Teilgebieten. Passt ja zur anstehenden Adventszeit.

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3 Antworten zu Standortsuche für ein Atommülllager: Die Gelbe Karte für die Lüneburger Teilgebiete verschwindet erst mal wieder in der Schublade

  1. Niels Detloff sagt:

    >>Und zu den Salzstöcken hätten wir eine klare Positionierung erhofft: sind die in der Zone mit den tiefsten Rinnen jetzt raus aus dem Verfahren oder haben sie nur eine Gelbe Karte oder ist das zum jetzigen Zeitpunkt der Suche egal.<<
    Erstmal vielen Dank für den Erlebnisbericht.
    Wenn die tiefsten Rinnen 600m tief gehen, und man 300m draufschlagen möchte UND dazu noch möchte, dass oberhalb vom Salzstock noch anderes Restgestein übrig bleibt, dann könnten nur Salzstöcke geeignet sein, deren Top mindestens 900m unterhalb Geländeoberkante liegt. Diese gibt es, beispielsweise Altenbruch, Arngast, Berdum-Jever, Langsee, Rosenthal, Schaphusen oder Seefeld. Also …. man müsste nicht kategorisch Salzstöcke ausschließen, die dort liegen, wo die tiefsten Rinnen zu erwarten sind. Oder?
    Liebe Grüße
    Niels

    • AG-Öffentlichkeit//B sagt:

      Hallo Niels,
      ja, dass wäre eine denkbare Konsequenz. Ob das die BGE so sieht, kann ich Dir aber nicht sagen.
      LAgAtom Forderung an der Stelle bleibt, dass transparent argumentiert wird. Will die BGE, wie Du vorschlägst, nur noch die tieferen Salzstöcke betrachten oder geht sie damit anderes um. Und vor allem, wie sieht das Fachwissenschaftler*innen außerhalb der BGE.
      Ich befürchte, die Antwort darauf werden wir erst in ein paar Jahren bekommen.

  2. Petra sagt:

    Das unterschreibt einmal mehr, dass die BGE nicht mit offenen Karten spielt. Wenn gewisse Fakten jetzt klar sind, d.h. Grundannahmen zu großen Gebieten einfach falsch waren und es hier gar kein Wirtsgestein gibt – dann muss das jetzt auch so klar kommuniziert werden.

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