Helmholtz-Zentrum-Berlin startet Bürgerdialog zur Stilllegung des umstrittenen Atomforschungsreaktor

Berlin-Wannsee liegt eigentlich gar nicht in der Nähe von Lüneburg und damit im Nahbereich von LAgAtom. Die Ankündigung für den Rückbau des dortigen Atomforschungsreaktors eine Begleitgruppe zu gründen, war aber auch für uns sehr spannend, denn in der Einladung wird ausdrücklich auf den HZG-Dialog als Vorbild Bezug genommen. Ein Grund genauer hinzusehen, was da der Betreiber anbietet.

Am 21.11.17 stellte das HZB in einer öffentlichen Informationsveranstaltung ihre Vorstellungen zur Rückbau und zur begleitenden Bürgerbeteiligung vor. Der Saal war mit geschätzten 100 Menschen gut gefüllt. Die Stimmung von Beginn recht angespannt. Es war reichlich Zeit für Fragen und Kritik. Und die kamen fachkundig, akzentuiert und auf den Punkt. Schnell zeigte sich, dass viele, vor allem direkte AnwohnerInnen, über die bisherige Öffentlichkeitsarbeit des Betreibers erbost sind. Insbesondere sind sie durch das hohe Störfallrisiko und die geplanten Flugrouten des neuen Hauptstadtflughafens direkt über das Reaktorgelände beunruhigt. Groteske Ideen in früheren Katstrophenschutzplänen, die die Verteilung von Jod-Tabletten per Taxi vorsahen, tragen da wenig zur Beruhigung bei.

Auch an diesem Abend zeigt sich, wie schwer man sich tut, da offen mit den Risiken umzugehen. Erst auf mehrere Nachfragen hin, gibt der Betreiber zu, dass die Reaktorhalle nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt ist.
Wichtiger scheint es dem HZB deutlich zu machen, welche hohe wissenschaftliche Bedeutung die Forschung am Reaktor hat und hatte. An der Stelle zeigt sich eine deutliche Parallele zu ihren Kollegen des Forschungszentrum Geesthacht. Für uns als Anti-Atom-Initiative hat sich auch nach fünf Jahren Beteiligung im HZG-Dialog dieser Kausalzusammenhang nicht deutlich gemacht. Gibt es wirklich guten Atommüll aus Forschungsanlagen und bösen aus Leistungsreaktoren? Vor dem Hintergrund der begrenzten Halbwertzeit von Forschungsergebnissen und der im Vergleich damit fast unendlichen Halbwertzeit der Zerfallsprodukte ist in Berlin genau wie in Geesthacht in erster Linie Atommüll produziert worden und nicht Wissen.

Man mag das unwichtig finden, aber an der Stelle zeigt sich, wie weit Betreiber und AnwohnerInnen aufeinander zugehen müssen, wenn die einen vor allem die Risiken für Ihre Gesundheit sehen und den anderen beim Forschungsreaktor vor allem erst einmal die „tollen“ Forschungsprojekte.

Ein langer Weg liegt hier vor der möglichen Dialoggruppe. Aber jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt und den ist das HZB auf jeden Fall gegangen. Das Angebot scheint ehrlich. Im Gegensatz zu anderen Rückbau-Prozessen will man nicht nur Informieren sondern auch über Inhalte diskutieren. Der Teilnehmerkreis für die mögliche Begleitgruppe ist nicht vorsortiert. Im Januar soll es einen ersten Termin für die Gründung einer Vorbegleitgruppe geben. Dieser Termin ist für jeden offen.
Es wurde zugesagt, dass es keine inhaltlichen Tabus geben werde. Das HZB will sich auch mit den Altlasten seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Dass es da viel Gesprächsbedarf gibt, war im Saal deutlich zu spüren.
Und auch die AnwohnerInnen in Berlin-Wannsee sind den ersten Schritt gegangen. Trotz allen schlechten Erfahrungen und allem Misstrauen hat sich eine größere Gruppe gefunden, um auszuloten, ob das Angebot des Betreibers ernstgemeint und annehmbar ist.

Ob da der ambitionierte Zeitplan des Betreibers umsetzbar ist, der bereits einen Skopingtermin in August 2018 vorsieht, ist zweifelhaft, denn Konsens und Dialog brauchen Zeit. Auch hier passt die Parallele zu Geesthacht. Auch der dortige Dialog begann damit, dass der Betreiber deutlich vom ursprünglichen Zeitplan abweichen musste, damit sich die Begleitgruppe ein Bild von den Plänen machen konnte. Inwieweit auch in Berlin die Bereitschaft da ist, hier den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, könnte der erste Gradmesser für die Ernsthaftigkeit des Angebotes sein.

Wenn es klappt in Berlin erfolgreich einen Dialogprozess in die Gänge zu bekommen, könnte tatsächlich an einem zweiten Rückbaustandort eine konsensorientierte Suche nach Lösungen starten und damit ein Paradigmenwechsel im Umgang der Atomindustrie mit den Menschen rund um ihre Anlagen.

Infos zum geplanten Dialogprozess und die Vorträge des Infoabend soll es demnächst auf der Homepage des HZB geben.

Hintergrundinfos zu den Problemen und Risiken, die mit dem Forschungsreaktor verbunden sind, findet ihr  beim Anti-Atom-Bündnis in Berlin und Potsdam und bei Umweltfairaendern.

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