Atomkraft als Klimaschutz – von wegen!

Nur acht Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima trauen sich die Förderer und Nutznießer der Atomindustrie wieder aus der Deckung. In der öffentlichen Wahrnehmung hat das Klimathema die Anti-Atom-Bewegung abgelöst. Hier wähnt man eine Chance zum Neueinstieg.  

Derzeit werden lediglich zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfs durch Atomkraft gedeckt. Der Anteil an der Stromproduktion  liegt bei nur elf Prozent. Um nur zehn Prozent der weltweiten Treibhaus-Emissionen einzusparen, müsste die Anzahl der AKW weltweit verdreifacht werden. Um alle Kohle- und ein großer Teil der Gaskaftwerke durch AKW  zu ersetzen, müssten weltweit sogar mehr als 1.000 neue AKW gebaut werden. Aktuell laufen 449.

Dennoch wird von der Atomlobby immer wieder gerne behauptet es gäbe einen deutschen „Sonderweg“, der entgegen der „Renaissance“ der Atomkraft verlaufe. In der realen Welt lässt sich das aber nicht wieder finden. Neben den gravierenden Sicherheitsrisiken und der weiterhin ungelösten Frage nach der Atommüllentsorgung liegt das vor allem an den Kosten.

Atomkraft ist zu teuer

Selbst in den USA unter Trump ist Atomkraft ein Auslaufmodell. Die laufenden Reaktoren sind veraltet. In den letzten 25 Jahren ist nur ein neues AKW in Betrieb gegangen. Dennoch befinden sich dort aktuell  laut IAEA nur zwei AKW im Neubau.

Zwei weitere Neubauprojekte wurden 2018 aus Kostengründen abgebrochen, wobei das eine, das Kraftwerk Virgil C. Summer, bereits zu 40 Prozent fertiggestellt war. Auch bei den beiden anderen Meiler am Standort Vogtle (Georgia) sind die Kosten mit zuletzt 25 Milliarden Dollar explodiert. Eine Fertigstellung ist zumindest fraglich.   Ein amerikanischer Atomausstieg aus Kostengründen ist durchaus zu erwarten.

Ähnlich sieht es in Europa mit der neu entwickelten EPR-Serie aus. Eigentlich sollte die von Areva entwickelte Baureihe die französischen Uraltreaktoren ersetzen. Entstanden ist laut dem französischen Wirtschaftsminister ein wirtschaftlicher Misserfolg.

Ursprünglich sollte der erste EPR-Reaktor in Flammanville 3,3 Miliarden Euro kosten und nach viereinhalb Jahren ans Netz. Inzwischen geht man von 12 Milliarden und 15 Jahren Bauzeit aus, frühestens 2022.

Ähnlich sieht es beim zweiten EPR-Reaktor im finnischen Olkiluoto aus. Dort bekommt Areva zunehmend Probleme, denn der Bau war zum Festpreis angeboten. Die Mehrkosten deckt der französische Staat mit Steuermitteln ab.

Bei dem englischen Neubauprojekt Hinkley Point C  sind gerade die geschätzten  Kosten  um weitere 3 Milliarden auf 22,5 Milliarden Pfund gestiegen.

Der neue Weltbericht zur Situation der Nuklearindustrie (WNISR) belegt die Stagnation der AKW-Neubauten deutlich:  2018 wurden zwar weltweit 33 Milliarden Dollar in AKW investiert. Das steht aber  273 Milliarden US-Dollar an Investitionen für Erneuerbare Energien gegenüber.  Auch China, das das meiste Geld in Atomkraft investiert, gibt mehr Geld für Erneuerbare aus als für AKW.

Weltweite Kapazitätsentwicklung

Atomstromproduktion weltweit

 Sehr spannend in diesem Zusammenhang ist auch eine Studie aus der Schweiz, die errechnet, dass ein Klimaschutzrelevanter AKW Neubau für die Schweiz deutlich teuer kommen würde, als die gleiche Kapazitätserhöhung an Erneuerbaren.

Wenn dann der Chef der IAEA für Atomkraft als Lösung der Klimakrise wirbt, klingt dass schon wie ein Akt der Existensangst.

Atomkraft ist zu langsam

Zumal neben den Kosten auch der Faktor Zeit eine Rolle spielt. Laut des oben erwähnten Weltberichtes dauerte der Bau der letzten 53 AKW durchschnittlich 10,1 Jahre und das ohne Genehmigungsverfahren. Das ist  zum Einhalten des 1,5 Grad-Zieles deutlich zu langsam.

Atomkraft ist keine Zwischenlösung

Für Deutschland fordern nichts desto trotz CDU Hinterbänkler und Wirtschaftsvertreter außerhalb der Energiewirtschaft eine Laufzeitverlängerung aus Klimaschutzgründen.

Wie wenig Sinn das hat, zeigen Reaktionen der Energieversorger. So ließ EnBw verkünden:  “Der Ausstieg aus der Kernenergie ist im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt. Die EnBW habe eine langfristige Strategie für den Rückbau der Werke ausgearbeitet. “Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.” Ähnlich äußerte sich auch Eon-Chey Johannes Teyssen.

Eine zentrale Motivation liegt dabei vermutlich darin, dass sich die Energieversorger mit der Fondlösung ganz gut aus der Affäre gezogen haben. Die Kosten für die „Atommüllentsorgung“ sind eingegrenzt und die Risiken auf die SteuerzahlerInnen abgewälzt. Jede Laufzeitverlängerungen würde diese Lösung infrage stellen. Und daran haben die Unternehmen kein Interesse.

Aber selbst wenn das anders wäre, würde eine Laufzeitverlängerung nur dazu führen, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen. Um in Spitzen die Nachfrage zu decken braucht es als Ergänzung zu Wind und Solar flexible Anlagen und keine schwerfälligen Grundlast-Monster. AKW die dauerhaft unter Volllast fahren müssen sind, da nicht mehr zeitgemäß. Wie sehr der AKW-Strom die Netzte verstopft wird besonders in Norddeutschland deutlich. Hier laufen einerseits noch drei der verbliebenen sieben deutschen AKW (Brokdorf, Emsland und Grohnde). Gleichzeitig entsteht hier aber auch der meiste Windstrom. 2017 wurden nach Zahlen der Bundesnetzagentur 5,5 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom nicht erzeugt („Einspeisemanagement“), weil die Netze die Mengen nicht aufnehmen konnten. Das entspricht ziemlich genau der Menge, die das AKW Brokdorf im selben Jahr erzeugte. (Quelle: ausgestrahlt)

Außerdem spricht auch der Wirkungsgard gegen den weiteren Einsatz von Uran  als Energieträger. Er liegt bei einem modernen Atomkraftwerk  im Schnitt bei lediglich 33 Prozent. Der Grund: die Wärme wird ungenutzt über Flüsse und Abluftkamine abgeleitet. Blockheizkraftwerke hingegen produzieren beispielsweise gleichzeitig Strom und Wärme. Daher könnte allein ihr Ausbau den bisher aus AKW gewonnenen Strom ersetzen, ohne dass mehr CO2 entsteht.

Atomkraft ist nicht Klimaneutral

Zudem ist Atomenergie keine CO2-freie Stromquelle. Vor allem bei der Förderung von Uran entstehen klimaschädliche Treibhausgase. Eine Kilowattstunde Atomenergie verursacht laut der  Studie “Climate change and nuclear power” im Durchschnitt 88 bis 146 Gramm CO2. Damit hat Atomstrom eine deutlich schlechtere Klimabilanz als Windenergie. Würde die Uran-Nachfrage steigen, müssten Bergbaukonzene künftig auch weniger ergiebige Uranquellen nutzen – die CO2-Bilanz würde sich weiter verschlechtern.

Die Anti-Atominitiative .ausgestrahlt stellt die Argumente gegen die “Atomkraft als Klimaretter”-Lüge auf einem Flyer zusammen, den LAgAtom empfiehlt, genau wie den dazu gehörenden Film (verlinkt in unserer Randleiste).

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